Star-Club
In einem Hinterhof der Großen Freiheit erinnert eine Gedenktafel an den einstigen Starclub. Hier traten in den 60er Jahren große Musiker wie die Beatles, Jimi Hendrix, Little Richard und Fats Domino auf.
Tür an Tür mit Striptease-Läden und Neppkneipen standen hier plötzlich schwitzende junge Engländer mit Lederjacken und gefährlichen Haartollen auf der Bühne, ließen die Gitarren donnern und brüllten dazu heisere Liebeserklärungen an Lucille, Carol, Peggy Sue und Miss Molly durch ihre 30-Watt-Verstärker.
Für die damaligen Jugendlichen, die "Halbstarken", war dieser Club eine Offenbarung. Denn seit Bill Haley 1956 bei seiner ersten Deutschland-Tournee wilde Saal- und Straßenschlachten zwischen seinen Fans und einer knüppelschwingenden, tränengaswerfenden Polizei ausgelöst hatte, sorgten Erwachsene und die Presse dafür, dass diese Musik fast völlig unterdrückt wurde. Was blieb, waren Schlager, Jazz und so genannte "Teenagermusik" - eingedeutschte und verharmloste, amerikaische Rock-Songs. Einziger Lichtblick: der englischen Soldatensender BFBS und Chris Howland mit seinem "Saturday Club" im WDR.
Eine kleine unbekannte Band namens "The Beatles"
Trotzdem blieb die Entwicklung irgendwie stehen. Zwar brachte der Kaiserkeller als erster Club in Deutschland nun regelmäßig Rockmusik und Lokalgrößen wie Tony Sheridan live auf die Bühne, richtige Stars, wie man sie von Platten und Runkfunk her kannte, kamen jedoch nicht nach Hamburg. Es gab nur mehr oder minder unbekannte Bands, die vorwiegend Hits anderer Leute nachspielten, selbst die Beatles machten da noch keine Ausnahme.
Es war Zeit für den Star-Club...
Eines Morgens war St. Pauli mit grell orangefarbenen Plakaten vollgeklebt, mit der Ankündigung:Die Not hat ein Ende! Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei! Am 13.04.1962 eröffnete Manfred Weissleder seinen Star-Club auf der Großen Freiheit und lockte damit in den kommenden sieben Jahren Rock-Größen wie die Beatles, Jimi Hendrix, Little Richard, James Brown, Fats Domino, Eric Burton, Lee Curtis und Jerry Lee Lewis mitten nach St. Pauli. Ein Milieu, das zunächst viele Jugendliche und noch mehr Eltern abschreckte.
Anzug statt Lederjacke, Party statt Prügelei
Auf Schlägereien und böse Rocker in Lederjacke traf man im Star-Club jedoch eher selten. Man ging hin, um Musik zu hören. Und das mit Anzug, Krawatte und Nyltesthemd bzw. Stöckelschuhen, Lippenstift und hochtoupierter Bienenkorbfrisur. Probleme gab es allabendlich nur für die unter 18-Jährigen. Punkt 21:50 Uhr, wenn die Star-Band ihren ersten Auftritt beendet hatte, schlug per Ansage aus dem Hauslautsprecher die Stunde der Wahrheit, die stets etliche Gäste dazu brachte, schlagartig ein 22:00 Uhr. Alle Jugendlichen unter achtzehn Jahren müssen jetzt den Starclub verlassen. Die Kellner sind angewiesen, eine Ausweiskontrolle durchzuführen. In zehn Minuten geht es dann weiter im Star-Club mit...".
Die letzte Erinnerung an den Club: eine Gedenktafel
Bald kamen fast eine Million Besucher im Jahr. War ein Jugendlicher in Hamburg, führte ihn sein erster Weg in den Star-Club. Manche reisten sogar aus England, Frankreich und Skandinavien an, nur um ein paar Nächte an der Großen Freiheit zu verbringen. Verzweifelte Eltern schrieben Briefe und riefen im Star-Club-Büro an, ob ihr ausgerissener Sohn oder ihre verschwundene Tochter gesehen wurde. Der Star-Club war ein kleines Stück Freiheit in einer feindlichen Welt, die von Autoritäten, Verboten und Zwängen beherrscht war und alles, was Spaß machte, bekämpfte und zu unterdrücken versuchte. Am 31.12.1969 gab es das allerletzte Konzert, es zog das sehr freizügige Nachtlokal Salambo ein. Das Gebäude, das anschließend lange Zeit brach lag, wurde schließlich 1987 nach einem Brand abgerissen. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel an die legendäre Zeit.