Interview Senator Dr. Anjes Tjarks über das Fahrradfahren in Hamburg
Dr. Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende der Freien und Hansestadt Hamburg, bezeichnet sich selbst als passionierten Radfahrer – nicht nur im Alltag, sondern auch beim Sport auf dem Rennrad. So ist der dreifache Familienvater täglich gerne mal 30 Kilometer in der Hansestadt mit dem Rad unterwegs. Neben dem Hobby Fahrradfahren sieht der 39-Jährige aber noch mehr in dem Fortbewegungsmittel: Es ist extrem umweltfreundlich und für die Mobilitätswende von großer Bedeutung. In einem Interview haben wir uns mit dem Senator über seine privaten Rennradstrecken, das Fahrrad als Symbol für Solidarität und die Mobilitätswende in Hamburg unterhalten.
Können Sie sich eigentlich noch an den Moment erinnern, als Sie das erste Mal ohne Stützräder gefahren sind?
Tjarks: Nein, das kann ich nicht... aber zum Glück gibt es die heute auch nicht mehr so häufig. Bei meinen eigenen Kindern waren es erst Laufräder, dann Fahrräder. Keine Stützräder dazwischen. Hat gut geklappt.
Wenn Sie ein Fahrrad wären, wie würde das denn eigentlich aussehen?
Tjarks: Elegant und schlank, eher für die Langstrecke als für den Sprint. Leider auch ein bisschen unbequem.
Erzählen Sie doch mal von Ihrer schönsten Radgeschichte in Hamburg überhaupt!
Tjarks: Och. Da gibt es einige, aber bei Sonnenaufgang durch die Vier- und Marschlande Rennradfahren und dabei ab und zu ein Storch erblicken, gehört für mich schon zu den absoluten Highlights. Toll finde ich auch, wenn man sieht, dass Verkehrsplanungen, die umstritten waren, sehr gut angenommen werden: Der Harvestehuder Weg ist dafür ein sehr gutes Beispiel.
Sie sind also auch sehr sportlich unterwegs: Wo fährt der Triathlet Anjes Tjarks in Hamburg, um fit zu bleiben?
Tjarks: Hier habe ich in Hamburg zwei Wege: Der erste führt ganz klassisch über Deichtorhallen am Hafenrand entlang Richtung Entenwerder und Kaltehofe in die Vier- und Marschlande. Der andere Weg führt ab Altona durch die Elbvororte über Blankenese nach Wedel und wenn dann noch Zeit und Lust ist. in die Haseldorfer Marsch.
Fährt ein Rennradfahrer wie Sie eigentlich auch mit dem Lastenrad oder E-Bike?
Tjarks: Ich bin schon ein paar Mal E-Bike gefahren, und habe sofort das Sucht-Potenzial erkannt. Deswegen lasse ich das lieber bleiben. Lastenräder faszinieren mich sehr, aber ich bin bisher bequemer und billiger mit einem Kinderfahrradanhänger und jetzt, wo die Kinder selbst fahren, mit einem Lastenanhänger durchgekommen.
Stichwort Kinder: Wie meistern Sie denn Ihren Familienalltag mit dem Rad?
Tjarks: Ich habe einen Lastenanhänger, der mir seit Jahren stoische und treue Dienste leistet: beim Radwandern mit Zelt und jeden Samstag auf dem Wochenmarkt.
Anderes Thema: Was bedeutet „Fahr ein solidarisches Hamburg" für Sie?
Tjarks: Hamburg hat die Pandemie bislang so großartig gemeistert, weil wir alle solidarisch miteinander waren und aufeinander aufgepasst haben. Das wünsche ich mir auch für den Verkehr in der Stadt. Dazu kann jede:r Einzelne beitragen, indem sie/er auf sich und die anderen Verkehrsteilnehmer gut Acht gibt. Aber „Fahr ein solidarisches Hamburg" ist natürlich auch ein Auftrag an die Stadt: Wir müssen eine attraktive und sichere Infrastruktur für den Radverkehr schaffen und den öffentlichen Platz gerecht aufteilen.
Warum ist denn gerade das Fahrrad ein tolles Symbol für Solidarität?
Tjarks: Das Fahrrad ist ein großartiges Verkehrsmittel, weil es extrem umweltfreundlich ist und die öffentliche Infrastruktur kaum abnutzt. Es verbraucht sehr wenig öffentlichen Platz und lässt sich wunderbar mit U- und S-Bahnen oder auch unseren Fährlinien kombinieren. Mit ihm wird der Platz in Hamburg solidarisch aufgeteilt. Wichtig ist mir aber auch: Fahrradfahren macht Spaß. Das ist so und das soll so bleiben. Es ist ein großartiges Symbol für Freiheit und hält einen gleichzeitig noch fit. Deswegen wollen wir niemanden überreden aufs Rad umzusteigen. Wir wollen Radfahren so attraktiv machen, dass die Leute auch aus ganz eigenen Motiven auf den Sattel steigen.
Welche Maßnahme ist im Bereich Radverkehr in den kommenden Jahren von besonderer Bedeutung, um die Mobilitätswende voranzutreiben?
Tjarks: Sichere, von der Straße getrennte Radwege sind für den Radverkehr in Hamburg sehr, sehr wichtig. Aber in Wahrheit sind es auch viele kleine Maßnahmen: gute, reibungsarme Belagsqualität, Ampelvorrangschaltungen, Abstützmöglichkeiten beim Warten, Stopparmut auf wichtigen Strecken und und und.
Letzte Frage und Hand auf's Herz: Fühlt es sich für Sie eigentlich so an, dass Sie Ihr Hobbygrad zum Beruf machen?
Tjarks: Es fühlt sich großartig an, weil ich die Mobilitätswende für eines der absolut wichtigsten Themen des 21. Jahrhunderts überhaupt halte. Unsere Städte wachsen an Bevölkerung – aber nicht an Platz. Und gleichzeitig steigt pro Person der Mobilitätsbedarf rasant an. Diese Rechnung geht nur auf, wenn wir die Mobilitätswende hinbekommen. Wir als Stadt haben die Aufgabe, das so zu gestalten, dass die Menschen die Mobilitätswende als Gewinn an Lebensqualität empfinden. Diese Herausforderung in Hamburg anzupacken ist für mich tatsächlich eine tolle Sache, die ich mit großer Begeisterung angehen werde.
Herr Tjarks, wir danken Ihnen für das Interview.